Debatte um das Asylrecht nach Anschlag von Solingen und den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen

Ein Beitrag von mut Mitglied Werner Schmid

In einem politischen Ping-Pong-Spiel treiben sich Opposition und Regierung zu immer schärferen Asylmaßnahmen. Die Kontrolle aller Binnengrenzen und die Zurückweisung von Asylsuchenden an dieser Grenze sind der vorläufige Zwischenstand der Debatte.

Menschen- und Grundrechte, Menschenwürde, Schutz vor Krieg und Verfolgung, Rechtsstaat, Recht auf Asyl – sind das für Schutzsuchende in Deutschland nur noch Worthülsen, die noch hie und da erwähnt werden, in der Realität aber keine Rolle mehr spielen?

Debatten sind in einer Demokratie wichtig, soll sie lebendig bleiben. Sie dürfen aber nicht aus dem Ruder laufen. Es ist vor allem die Aufgabe demokratischer Parteien, dies zu verhindern. Das aufgeladene Diskussionsklima weckt Zweifel am Gelingen. Denn nach dem Anschlag von Solingen, der schreckliche Folgen hatte, wird das Thema „Migrationspolitik“ gerade instrumentalisiert. Vor allem von Parteien, die sich nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen Vorteile davon versprechen. Die Landtagswahl in Brandenburg steht kurz bevor und die Bundestagswahl 2025 wirft ihre Schatten voraus.

Doch was macht eine politische Debatte mit der Bevölkerung, wenn nur noch von illegaler Migration, Schleuserbanden und Abschiebungen die Rede ist? Es wird damit der Eindruck erweckt, dass viele zu uns kommen, die keinen Schutz verdienen, eine Gefahr für die Sicherheit sind und unseren Staat ausnützen wollen. Das politische und gesellschaftliche Klima wird dadurch vergiftet. Die hohen Anerkennungsquoten für Schutzsuchende aus den Haupt-Herkunftsländern Syrien und Afghanistan zeigen, dass eine große Zahl von Geflüchteten zu Recht Asylanträge stellen. Und die einseitige und unsachliche Debatte bringt nicht nur sie in Misskredit, sondern auch die vielen Menschen, die sich haupt- oder ehrenamtlich für Geflüchtete engagieren.

Form und Inhalt der Diskussion bringen unsere Demokratie in Gefahr. Denn wenn rechtsextreme, aber auch konservative und sogar liberale Parteien verfassungswidrige und europarechtswidrige Forderungen stellen, wird suggeriert, Politiker stünden über dem Recht und könnten mit drastischen und einfachen Maßnahmen für „Ordnung sorgen“ und eine schnelle Lösung für komplizierte Sachverhalte bieten. Dazu gehören pauschale Zurückweisungen von Flüchtlingen an der deutschen Grenze („push-backs“), Obergrenzen für Asylanträge oder die Aufnahme von Geflüchteten oder Abschiebungen in großem Stil. Das ist nicht nur Populismus, sondern eine Verachtung des Rechtsstaats. Wäre eine solche Strategie erfolgreich, so würden die Grenzen zwischen Recht und Unrecht immer weiter verschoben. Dann braucht man nicht mehr mit dem Finger auf Autokraten wie den ungarischen Staatschef Victor Orbán zeigen, weil man damit seine Methoden übernimmt.

Mit einem solchen Vorgehen gefährdet man auch den Konsens in Europa über eine gemeinsame Migrationspolitik auf der Basis von einheitlichen Rechtsstandards und einer fairen Verteilung von Schutzsuchenden auf die einzelnen Staaten. Rigorose „push-backs“ würden einen Dominoeffekt auslösen und alles würde wieder den Ländern an den Außengrenzen aufgebürdet. Diese fühlen sich seit vielen Jahren mit der starken Zuwanderung allein gelassen und handeln deshalb selbst häufig außerhalb der Legalität.

Populist*innen und Extremist*innen machen nicht beim Thema Migration halt. Es geht dann schnell auch um die Stellung von Minderheiten in der Gesellschaft, etwa um queere Menschen, Obdachlose oder Menschen mit Behinderung. Auch Anwält*innen oder Journalist*innen sind häufig Zielgruppen von Repressionen autoritären Machthabenden.

Was ist notwendig? Die Stigmatisierung von Geflüchteten muss aufhören. Es muss vermittelt werden, dass eine große Zahl von Menschen, die zu uns kommen, eine Bereicherung und auch Chance für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung darstellen. Die Menschen, die vor Ort Flüchtlingen helfen, wie etwa Integrationsbeauftragte und Mitglieder von Helferkreisen, sagen, dass der unmittelbare Kontakt zwischen den hier Lebenden und den Ankömmlingen wichtig ist und Ängste nehmen kann. Landkreise, Städte und Gemeinden müssen viel stärker unterstützt und in die Lage versetzt werden, Unterbringung und Integration zu meistern. Nicht zuletzt müssen Arbeitsverbote fallen und die Asylverfahren verkürzt werden. Und politisch sollte sich Deutschland an seine Verantwortung für Europa und die Welt erinnern, die schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg auch zu einem in der Verfassung verankerten Grundrecht auf Asyl geführt hat.

Nur wenn es gelingt, die Hilfe für Geflüchtete als hohen moralischen Wert und wichtigen Beitrag für ein respektvolles Zusammenleben einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, werden wir eine offene Gesellschaft bleiben können.

Schließlich noch ein Beispiel für gelingende Inklusion und die Wertschätzung von geflüchteten Menschen: Das IOC-Flüchtlingsteam in Paris 2024. Es bestand aus 36 Athlet*innen, die 100 Millionen Vertriebene auf der Welt vertraten und in 11 verschiedenen Disziplinen antraten. Die Idee dahinter drückte IOC-Präsident Bach so aus:

„Mit ihrer Teilnahme an den Olympischen Spielen demonstrieren sie das menschliche Potenzial an Widerstandsfähigkeit und Exzellenz. Dies wird eine Botschaft der Hoffnung an die mehr als 100 Millionen Vertriebenen auf der ganzen Welt senden.“

Was offenbar im Sport gelingt, kann auch beispielgebend für einen neuen Geist für die weitere Diskussion über Aufnahmebereitschaft und Integration bei uns sein.

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