Ein Kommentar des mut Forums Landwirtschaft und Ernährung zum Renaturierungsgesetz der EU.
Am 12. Juli hat das Europaparlament mit knapper Mehrheit das Renaturierungsgesetz gebilligt. Vorausgegangen waren massive Versuche der europäischen Volkspartei EVP, gemeinsam mit FDP und rechten Gruppierungen das Gesetz zu verhindern. Angeführt wurden diese Versuche vom EVP-Vorsitzenden und stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Manfred Weber, der sich damit erstaunlicherweise auch gegen die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU gestellt hat. Weber versuchte dabei, Landwirte gegen dringende Naturschutzmaßnahmen der EU aufzubringen. Er stellte damit den sogenannten Green Deal, das gesamte Klimaschutzprojekt der EU in Frage. Ein durchsichtiges Manöver für die Landtagswahl in Bayern im Oktober oder die Europawahl 2024? Die CSU wird höchst unglaubwürdig, wenn sie in Bayern ihre angeblichen Verdienste um Arten- und Klimaschutz preist, ihr Parteivize Manfred Weber aber in Brüssel wichtige Vorhaben torpediert.
Das Renaturierungsgesetz sieht Maßnahmen vor, um die Qualität von Öko-Gebieten wieder herzustellen. Dies ist ein schwieriger, aber notwendiger Kraftakt. Allein In Deutschland befinden sich zwei Drittel der Flora-Fauna-Habitate in einem schlechten Zustand. Die Gegner des Gesetzes führten insbesondere Risiken für das Wirtschaftswachstum und eine Gefahr für die Ernährungssicherheit als Argumente an. Beide Argumente sind für uns nicht nachvollziehbar, denn andere Faktoren spielen eine bedeutend wichtigere Rolle. Eine Landwirtschaft der Zukunft braucht kein quantitatives Wachstum, sondern mehr Resistenz gegen Klimawandel und Artenschwund, also nachhaltige Wege, die Ökosysteme zu stärken und die Biodiversität zu fördern. Gerade dazu muss das Gesetz beitragen.
Fachlich unbestritten ist, dass besonders das Artensterben von Bestäuber-Insekten sehr wohl die Ernährungssicherheit gefährdet. Gleiches gilt für Bodenerosion, Überflutungen, Überdüngung und Pestizideinsatz. Viele Flächen werden zu intensiv genutzt. Ein wichtiger Faktor ist auch der hohe Fleischkonsum, der für eine ineffiziente Nutzung unserer landwirtschaftlichen Flächen verantwortlich ist. Das Renaturierungsgesetz leistet daher einen enorm wichtigen Beitrag zur Sicherung unserer Ernährung, da es unsere Lebensgrundlagen Boden, Luft und Wasser zumindest in den Naturschutzgebieten absichert.
Viele der betroffenen Flächen und Landschaftselemente befinden sich in Bauernhand. Sorgen von Landwirten um ihre Existenzgrundlage soll man ernst nehmen. Nur wenige Flächen werden aber der Landwirtschaft völlig entzogen. Soweit das der Fall ist, sollte der Verlust entschädigt oder ausgeglichen werden. Ist weiterhin eine agrarische (Teil)-Nutzung möglich, sollten die ökologischen Leistungen finanziell honoriert werden.
Bedauerlicherweise ist in der Parlamentsversion (Paragraf 9) verschwunden. Dieser sah vor, dass es Indikatoren gibt, anhand derer die Wirksamkeit der Maßnahmen gemessen werden kann. Dies wären beispielsweise die Zahl der Schmetterlinge auf Grünland oder die im Ackerboden gespeicherte Menge an organischem Kohlenstoff gewesen. Nun wird es darauf ankommen, ob diese Messinstrumente im Rahmen des Trilogs wieder aufgenommen wird. Der Trilog ist ein paritätisch zusammengesetztes Dreiertreffen der gesetzgebenden Institutionen der Europäischen Union von Kommission, Rat und Parlament.
Grundsätzlich sind sich die Fachleute aber einig, dass die Annahme des Gesetzes ein Erfolg ist. „Das ist ein Sieg der Jugend und der Wissenschaft“ erklärte der Berichterstatter des Parlaments, der spanische Sozialist Cesar Luena. Der Versuch der von Manfred Weber angeführten, rückwärtsgewandten Allianz das Gesetz zu verhindern, zeigt auch den Einfluss der Agrarlobby. Es ist zu befürchten, dass sich diese Blockadehaltung beim nächsten Gesetzesvorhaben des „Green Deal“, dem Gesetzesentwurf zur Sicherung der Bodengesundheit wiederholen wird.
Das Renaturierungsgesetz der EU und die weiteren Gesetzesvorlagen im Rahmen des „Green Deal“ sind unserer Meinung nach noch lange nicht ausreichend, um unser Klima und unsere natürlichen Lebensgrundlagen sofort und nachhaltig zu schützen. Deshalb haben wir in unserem Landtagswahlprogramm noch viele weitere Maßnahmen und Forderungen formuliert: https://www.partei-mut.de/landtagswahl/. Aber es ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung!