Ein Aufruf von Nikita Bennett, Sprecher*in mut Forum gegen Rechtsextremismus und Rassismus
Die Wahlen in Sachsen und Thüringen liefen so schlecht wie es leider zu erwarten war. Doch auch mein zweites Heimatland stand vor drei Monaten vor demselben Abgrund.
Fast.
In Folge seiner Niederlage bei den EU-Wahlen, und dem beängstigenden Erfolg der Rechtsextremen RN, kam Präsident Macron auf eine „grandiose“ Idee. Das Parlament auflösen und Neuwahlen veranstalten. Wie alle meine Freunde*innen in Frankreich war ich entsetzt, und die Faschisten*innen jubelten. Sie feierten schon ihren Sieg, und fantasierten von Hetzjagden auf Geflüchtete, Muslime*a, Juden*innen, queere Menschen und generell auf Alle die nicht in ihr verachtenswertes Weltbild passen.
Diese Situation hatten wir schon einmal, 1936. Damals marschierten die faschistischen Ligen durch Paris. Doch ihnen stellte sich der Front Populaire, eine Allianz aus sämtlichen linken Parteien (gemäßigte wie radikale) und Gewerkschaften entgegen. Gemeinsam konnten sie Frankreich (zumindest bis zum Einmarsch der Nazis) vor dem Faschismus bewahren.
Und genau dies geschah auch dieses Jahr, als dieselbe Gefahr bestand. Binnen 2 Tagen einigten sich die Ökosozialisten*innen von (LFI), die Grünen (EELV), die Sozialdemokraten*innen (PS) und die trotz des Namens nicht Kommunisten*innen (PCF) zu einem gemeinsamen Grundsatzprogramm. Viele kleinere Parteien aus dem gesamten linken Spektrum stießen rasch dazu. Angesichts der Notlage beteiligten sich sogar Gewerkschaften (zum ersten Mal seit 1936) und Mitglieder der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA), die sonst nie mit der PS zusammengearbeitet hätte.
Auch lang schwelende Streitfragen wie Waffenlieferungen an die Ukraine wurden angesichts der Gefahr beigelegt (es wurde sich übrigens für diese entschieden).
Und es hat funktioniert. Der neue Front Populaire hat die meisten Sitze bekommen. Macron ernannte dennoch einen sehr konservativen Premierminister, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Entscheidend ist: wieder wurden die Faschisten*innen aufgehalten. Weil alle sich an einen Tisch gesetzt haben und sich auf einer gemeinsamen Liste den Rechtsextremen entgegengestellt haben.
Nun. Dasselbe funktioniert mit dem deutschen Wahlrecht leider nicht. Aber vielleicht etwas ähnliches. Seit der letzten Bundestagswahl erscheinen unsere progressive Parteien zerstritten, manchmal scheint es gar, sie bekämpfen sich mehr als unseren wahren Feind.
Doch mir gab es große Hoffnung, als ich beim CSD in Sonneberg hörte, wie Madeleine Henfling, grüne Vizepräsidentin des Thüringer Landtags, in ihrer Rede sagte „Wählt rot rot grün!“
Eine gemeinsam Liste geht nicht, klar. Aber was geht, ist sich vor den Wahlen auf ein gemeinsames Koalitionsprogramm zu einigen, und so statt zerstritten und uneins aufzutreten den Wähler*innen zu vermitteln: wir wollen gemeinsam arbeiten. Wir wissen, wo unsere Prioritäten liegen. Der Faschismus muss aufgehalten werden, und wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen.
Nochmals: in Frankreich hat es 2 Tage gebraucht. Und dort gibt es fast genau dieselben Streitfragen wie hier. Die genauso erbittert diskutiert werden bzw. wurden.
Wir können diese auch überwinden. Wir MÜSSEN sie überwinden. Denn Herr Merz hat klar gemacht, dass es für die Union keine Brandmauer mehr gibt. Und Herr Lindner ist nur eins wichtig: Wieder Finanzminister zu werden. Nach ihnen die Sintflut.
Generell lautet mein Appell an Linke, Grüne, SPD, und auch die vielen neuen Parteien wie z.B. Volt und meine Parteifreund*innen von der Partei mut: Egal auf welcher Ebene, bundesweit, landesweit oder kommunal, setzen wir uns zusammen. Wie wäre es zum Beispiel mit gemeinsamen Stammtischen?
Lasst uns überlegen, wie wir uns zusammen der größten politischen Verantwortung seit dem Ende des 2. Weltkrieges stellen.
Siamo tutti antifascisti!