Christin Löhner zum Heutigen Internationalen Tag zu Trans* Sichtbarkeit (TDoV)
Heute ist der 31. März 2024. Heute ist der Internationale Tag der Trans* Sichtbarkeit (Transgender Day of Visibility, TdoV). Zudem ist immer die letzte Woche im März der Gesundheit von Queeren Menschen gewidmet. Die Woche der Sichtbarmachung Queerer Gesundheit und der Tag der Trans* Sichtbarkeit sind uns trans* Menschen ganz besonders wichtig. Aber warum?
Der Aktionstag wurde 2009 von der Aktivistin Rachel Crandall-Crocker ausgerufen, um für die Situation von trans* Personen zu sensibilisieren. Im Unterschied zum Gedenktag für die Opfer von trans* Feindlichkeit, soll der Tag trans* Personen in ihrem Kampf für Selbstbestimmtheit würdigen und ihre vielfältigen Lebensrealitäten sichtbar machen.
Doch kaum gibt es einen Artikel, eine Kolumne oder gar einen Fernsehbericht über trans* Menschen, über die medizinische Versorgung von trans* oder inter* Menschen oder gar einen Bericht über den Hass, die Hetze und die verbale und körperliche Gewalt gegen trans* Menschen, ist der Aufschrei in der Gesellschaft und bei den Lesenden oder Zuschauern wieder groß:
„Ach die Verrückten schon wieder“, „Hol dir Hilfe!“, „Warum müsst ihr euch immer in den Vordergrund drängen?“, „Gibt es nichts Wichtigeres?“, „Schon wieder diese transgender Lobbyisten!“, „Ganz Deutschland wird von diesen Verrückten überrannt!“, „Diese trans* Terroristen nehmen sich viel zu wichtig!“, „Deutschland ist dem Untergang geweiht!“
Solche und noch viel schlimmere Sprüche müssen wir dann in den Kommentarspalten dieser Artikel oder Berichte lesen.
Doch warum wir sichtbar sein müssen und warum wir auf die medizinische Versorgung und die Gewalt gegen trans* und inter* Menschen aufmerksam machen müssen, geht leider an den meisten Menschen vorbei.
Trans* und inter* Personen erfahren weltweit meistens nur Unverständnis, Pathologisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung. Das alte Transsexuellengesetz (TSG) von 1981 erkennt zwar trans* Menschen an, sieht aber Untersuchungen und Befragungen vor, die von uns als massive Eingriffe in unsere Privatsphäre und körperliche Unversehrtheit empfunden werden und uns über unsere Köpfe hinweg unser Geschlecht auf diktieren oder verweigern wollen (Fremdbestimmung statt Selbstbestimmung).
Trans* feindliche Straftaten, seien sie verbale oder körperliche Gewalt, Diskriminierung, Hass und Hetze, haben laut dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung Sven Lehmann, gerade in den letzten Jahren in Deutschland massiv zugenommen. Hier wird eine Dunkelziffer vermutet, die sogar weit über doppelt so hoch liegt, weil die meisten Angriffe und die meiste psychische und physische Gewalt leider gar nicht zur Anzeige gebracht werden.
Geschlechtliche Vielfalt und die verschiedenen Lebensrealitäten von trans* Menschen gab es schon immer. Es gibt uralte indigene Völker, bei denen so genannte „two-spirits“ ein anerkanntes, drittes Geschlecht war und ist. Es gab schon immer Völker, in denen sich einzelne Personen nicht dem zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlten und dann eine entsprechende Transition, soweit es damals möglich war, vollzogen. Erst in der heutigen Zeit hat sich sogar herausgestellt, dass es trans* Menschen schon in der frühesten Menschheitsgeschichte gab.
Der Unterschied ist, dass trans* Menschen früher deutlich anerkannter waren, als sie es heute sind.
Heute sieht uns die Gesellschaft als Psychopath*innen, als Verrückte, als Pädophile oder sogar als Frauenvergewaltiger, die sich nur als Frauen ausgeben, um leichter in Frauenschutzräume eindringen zu können.
Cisgeschlechtliche Frauen schließen transgeschlechtliche Frauen vom Frau sein aus und hetzen die Gesellschaft gegen uns auf. Cisgeschlechtliche Männer bekommen es mit der Angst und befürchten, dass transgeschlechtliche Männer ihnen etwas wegnehmen wollen. Es werden Gesetze gemacht, die cisgeschlechtlichen Menschen die rechtliche Möglichkeit in die Hand geben, um uns öffentlich zu diskriminieren und von Geschlechter getrennten Einrichtungen fernhalten zu können.
Von der medizinischen Versorgung für trans* und inter* Menschen will ich eigentlich gar nicht erst anfangen. Da werden auch heute noch inter* Babies ohne Zustimmung der Eltern kurz nach der Geburt zwangsoperiert und in ein Geschlecht gezwungen, dem sie sich später oftmals dann nicht zugehörig fühlen. Ärzte haben von der medizinischen Versorgung von trans* Menschen und der Hormonersatztherapie keine Ahnung. Da werden Testosteronblocker wie Smarties oder m&m´s verschrieben, die für Gehirntumore, Herzinfarkte und Ähnliches verantwortlich sind. Es wird auf Hormonwerte gepocht, die nicht einmal im Ansatz dazu geeignet sind, eine echte Pubertät auszulösen und die Medikamente, die wir für unsere Transition verabreicht bekommen, sind eigentlich gar nicht dafür gedacht, sondern wurden für andere Leiden entwickelt. Therapeuten versuchen uns zu therapieren und zu heilen, obwohl trans* keine Krankheit ist und Konversionstherapien offiziell verboten sind.
Dies alles sind die Gründe, warum wir trans* und inter* Menschen sichtbar sein und auf diese Umstände aufmerksam machen müssen. Denn sonst wird sich nie etwas zum Positiven hin ändern.
Und nein, wir haben natürlich nicht vor die Weltherrschaft zu übernehmen oder cisgeschlechtlichen Menschen irgendetwas weg zu nehmen. Wie sollten wir denn das auch tun? Wir sind viel zu Wenige. Laut Statistiken gibt es unter 1000 Einwohnern ungefähr zwei bis drei trans* Menschen. Vermutlich ist die Zahl der intergeschlechtlichen Menschen sogar noch niedriger.
Aber das haben wir natürlich auch gar nicht vor. Es geht uns nicht darum, anderen etwas weg zu nehmen oder irgendeine Art von Macht zu ergreifen. Wir wollen einfach nur anständig leben, nicht mehr und nicht weniger. Wir wollen einfach nur unser Leben leben, in Ruhe gelassen werden und anständig behandelt werden, mehr nicht. Wir wollen nur das, was jedem anderen Menschen in Deutschland auch zusteht!
Und ganz ehrlich, was juckt es den Menschen im Haus zwei Straßen weiter, ob ich trans* bin oder nicht? Wird diese Person in irgendeiner Art durch mich eingeschränkt? Wird diese Person dadurch, dass ich versuche auf die Missstände in der Gesundheitsversorgung von trans* und inter* Personen oder auf die verbale und körperliche Gewalt aufmerksam zu machen, in irgendeiner Weise eingeschränkt? Wird die Person dadurch, dass auf irgendeinem Fernsehsender ein Bericht über mich kommt, in irgendeiner Weise eingeschränkt? Heutzutage muss er nicht einmal mehr aufstehen, um umzuschalten und den Sender zu wechseln.
Natürlich wird niemand durch mich, mein Tun, meine Sichtbarkeit oder die Tatsache, dass ich in Damenbekleidung herumlaufe, eingeschränkt! Warum also die ganze Aufregung?
Wenn es Euch nicht interessiert, was ich tue oder Ihr Euch gestört fühlt, durch das was ich tue, dann geht doch einfach weiter, scrollt einfach weiter, schaltet einfach um! Aber hört endlich auf, uns das Leben noch schwerer zu machen, als es sowieso schon ist!
Die andere Alternative wäre natürlich, sich mit uns zu solidarisieren, uns zu unterstützen, Mitgefühl, Anstand und vor allem Respekt zu zeigen und eben nicht die Augen und Ohren zu verschließen!
Denn wir alle sind nur Menschen und wir alle wollen nur eines: In Frieden, glücklich, zufrieden und sicher leben.