Rede von Daniela Voß, mut Stimmkreiskandidatin für die Landtagswahl in Fürstenfeldbruck-Ost während der noPAG Demo in München am 18. Juni 2023.
Liebe Freund*innen eines demokratischen Rechtsstaats,
als der Bayerische Verfassungsgerichtshof am vergangenen Mittwoch sein erstes Urteil zur Klage gegen das PAG fällte, da war die Begründung mehr als zynisch. Sinngemäß steht da, dass ein Gesetz zwar falsch angewendet werden mag, dass aber das Unrecht, das daraus entsteht, glücklicherweise nicht so schwer wiegt, weil es schließlich Richter in diesem Land gibt, die anschließend das Unrecht wieder heilen würden. Im Klartext: Wer in Bayern bis zu zwei Monate in Präventivhaft sitzt – und es handelt sich um Haft – , der kann vor Gericht anschließend versuchen Recht zu bekommen und vielleicht eine Entschädigung erhalten.
Die Richter waren dabei durchaus klarsichtig: Sie haben gesehen, dass es im Zusammenhang insbesondere mit Klimaprotesten zu einer unverhältnismäßigen Anwendung des Präventivgewahrsams kam. Und erinnert Euch. Die Möglichkeit, mit Hilfe eines Anwaltes gegen den Präventivgewahrsam vorgehen zu können, musste erst erstritten werden. 2018 wollte die Staatsregierung den Betroffenen nicht einmal das zugestehen. Und folgerichtig verschwanden auch elf Migrant*innen aus einem Ankerzentrum in Schweinfurt in Präventivgewahrsam. Einer von ihnen saß 2 Monate hinter Gittern. Bis heute wissen wir nicht, wer da festgenommen wurde. Das PAG – daran haben auch Bayerns oberste Richter keinen Zweifel – schafft Unrecht, aber dagegen wollten sie nichts unternehmen. Denn dass Bayern ein repressives und autoritäres Polizeirecht bekommt und behält, hat System. Denn das PAG selbst ist ähnlich zynisch. Sagt es doch ziemlich klar, dass es zu einer unverhältnismäßigen Anwendung des Gesetzes kaum kommen kann, schließlich habe Bayern ja Polizist*innen, in deren Händen das Gesetz gut aufgehoben sei. Das ist die gleiche zynische Logik wie bei Bayerns Richtern. Diese Logik ist aber die Logik von Autokraten und Diktaturen, die sich das Recht so biegen und umdeuten, bis der Rechtsstaat in Trümmern liegt. Bis Überwachung und Repression Alltag sind.
Liebe Freund*innen, ich weiß sehr wohl, dass bayerische Amtsrichter*innen den Einsatz der Präventivhaft bereits mehrfach außer Kraft gesetzt haben, ich weiß, dass Richter*innen sehr wohl bei den Strafverfahren wegen Nötigung oft sehr milde Urteile gefällt haben, dass unser Rechtsstaat heute noch weitgehend funktioniert. Aber: Wenn Hubert Aiwanger in Erding mit seiner schweigenden Mehrheit sich angeblich die Demokratie zurückholen will, dann müssen wir wachsam sein. Dem Rechtspopulisten und seinen Freunden von der AfD und in der CSU werden wir sie jedenfalls nicht einfach so herausgeben. Wir stehen hier, um für die Demokratie und für rechtsstaatliche Prinzipien zu streiten. Kampflos bekommen sie die Demokratie nicht kaputt.
Und wenn ein bayerischer Generalstaatsanwalt eine falsche Tatsachenbehauptung in die Welt setzt, indem er die „Letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung verleumdet, dann werden wir dies nicht einfach als „Panne“ akzeptieren, sondern gehen gegen diese Politik auf die Straße. Denn der Fisch – liebe Freund*innen – stinkt vom Kopf her. Und in Bayern stinkt er ganz gewaltig.
2018 hat das noPag-Bündnis davor gewarnt, dass dieses PAG nicht dazu da ist, um besser den Straßenverkehr zu regeln, sondern einen gezielten Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte darstellt. Denn es geht nicht allein um die Dauer des Präventivgewahrsams und das Recht auf einen Anwalt – und noch einmal: auch diese Änderungen musste erst erstritten werden, bis sie 2021 im Gesetz landeten – es geht auch um die weitreichenden Überwachungsbefugnisse der bayerischen Polizei, um das Recht jedermann und jede Frau bereits bei Verdacht technisch oder zum Beispiel unter Einsatz von Vertrauenspersonen zu überwachen. Das Bundesverfassungsgericht hat am Beispiel des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern bereits klar gemacht, dass es diese Auswüchse nicht akzeptieren wird. Deshalb: Der Kampf gegen das PAG muss weiter gehen.
Denn die drohende Gefahr sitzt in höchsten Regierungskreisen, die autoritäre Gesetze schaffen, um sie auch anzuwenden. Das aber werden wir nicht akzeptieren. An dieses Polizeiaufgabengesetz will ich mich nicht gewöhnen. Es ist Gift für unseren Rechtsstaat und deshalb kann es in dieser Form nicht bestehen bleiben. Und wer heute zögert, obwohl er die missbräuchliche Anwendung sieht, macht sich mitschuldig. An jedem unrechtmäßigen Präventivgewahrsam, an Polizeigewalt und völlig überzogenen Überwachungsmaßnahmen.