Ein Kommentar von Arno Pfaffenberger zur aktuellen Debatte in der Asyl- und Migrationspolitik und der Berichterstattung dazu.
Ausgewogen und sachlich?
Sehen, hören oder lesen Menschen derzeit Nachrichtensendungen, politische Talkshows oder Artikel in den überregionalen Zeitungen zum Thema Asyl und Migration, so wird ihnen eine Sicht der Dinge dargelegt, die Teile der Realität ausblendet.
Nun ist laut Brecht der, der „[…] die Wahrheit nicht weiß, bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, ein Verbrecher.“. Wobei wohl das bewusste Weglassen eines Teils der Wahrheit der Lüge gleichzusetzen ist.
Nun wird niemand die Redakteur*innen und Moderator*innen von Nachrichtensendungen, Talkshows oder Zeitungen als Lügner*innen bezeichnen. Fakt ist jedoch, dass sie im Sinne der uns Regierenden den Diskurs durch bewusstes Weglassen in eine bestimmte Richtung lenken.
Es geht um Finanzen und Wohnraum für Geflüchtete, um politische Zuständigkeiten. Nun wäre zumindest das Problem der Finanzen lösbar, wenn denn Abstand genommen würde von der neoliberalen Sparpolitik oder eine angemessene Besteuerung großer Einkommen und Vermögen in Angriff genommen würde. Mit den so mobilisierten Geldern wäre der Lebensunterhalt und die Unterbringung Geflüchteter finanziell machbar.
Es wird über Asylverfahren an den Außengrenzen Europas und das Einsperren der Geflüchteten in Lager für die Dauer ihres Asylverfahrens spekuliert. Dass dies menschenrechtswidrig und menschenfeindlich ist, dass es keine Unterstützung der geflüchteten Menschen durch die Zivilgesellschaft geben kann, dass kaum mehr faire Gerichtsverfahren möglich wären, all das wird verschwiegen
Und vor allem wird nicht darüber informiert, warum Menschen ihre Heimat verlassen müssen und dann ein prozentual kleiner Anteil von ihnen auch nach Europa kommt.
Aus der Sicht der uns Regierenden und derjenigen, die im Besitz großer Vermögen und Produktionsmittel sind, ist eine solche Diskursverengung sicher vorteilhaft.
Warum müssen Menschen ihre Heimat verlassen? Fluchtursachen sind Kriege, politische Verfolgung, Diskriminierung, Armut und Perspektivlosigkeit, Rohstoffhandel und Landraub sowie der Klimawandel und die Umweltzerstörung.
Verantwortlich hierfür ist in großen Maß unsere Art des Produzierens und Konsumierens im globalen Norden, das was u. a. Stephan Lessenich und Ulrich Brand als imperiale Lebensweise benennen.
Eine Lebensweise, welche die sozialen und ökologischen Kosten derselben in die Länder des globalen Südens auslagert. Diese Art des Wirtschaftens wird von den oberen 10 % bewusst gewollt und von den restlichen 90 % teils bewusst, teils unbewusst und unfreiwillig mangels Alternativen mitgetragen.
Doch sollte uns bewusstwerden, dass die Probleme, die diese Art des Produzierens und Konsumierens schafft, jetzt auf uns zurückschlagen.
Deshalb wird es Zeit zu fragen: In welcher Welt wollen wir leben?
Es ist nötig, sich mit den globalen Ursachen von Flucht und Migration auseinanderzusetzen.
Wir alle stehen daher vor zukunftsweisenden Fragen: Wollen wir die Bewohner*innen einer Festung sein, die sich mit Mauern und Zäunen verteidigt? Oder wollen wir in einem Gemeinwesen leben, das auf Solidarität und Empathie aufbaut? Sind wir bereit, anderen Schutz zu gewähren und ein Leben in Frieden und Sicherheit nicht nur für uns zu beanspruchen? Meinen wir es ernst mit der Fluchtursachenbekämpfung und nehmen wir dafür auch Abstriche bei eigenen Privilegien in Kauf?
Bei der Beantwortung dieser Fragen kann ein Blick auf die Menschenrechte helfen. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Sicherheit und Würde. Schließlich kann niemand etwas dafür, in welche Lebensverhältnisse er oder sie hineingeboren wird, ob in Wohlstand oder Armut, in Frieden oder Krieg, in Demokratie oder Diktatur. Daher ist es kein Akt der Wohltätigkeit oder der Gnade, Menschen in Not beizustehen. Es ist nichts anderes, als das Recht der anderen ebenso anzuerkennen wie das eigene.