Stellungnahme und Klarstellung des Forum Queer zur Abschaffung des Transsexuellengesetzes und zum Beschluss eines Selbstbestimmungsgesetzes (#selfid)
Ein Artikel von Christin Löhner
Ja, viele Menschen haben Angst. Angst davor, dass sie in Zukunft nicht mehr sicher sind. Angst davor, dass in Zukunft ihre Kinder nicht mehr sicher sind. Diese Angst drückt sich aktuell dadurch aus, dass sie gegen die Abschaffung eines veralteten, diskriminierenden und in weiten Teilen verfassungswidrigen Gesetzes mobil machen und eine andere Frauengruppe von der Definition Frau ausschließen.
Wir reden hier vor allem von Menschen, die sich selbst dem weiblichen Geschlecht zuordnen und oftmals auch weiblich gelesene Menschen lieben. Wir reden von sogenannten TERFs, FARTs oder auch RadFems, also von Trans ausschließenden, radikalen Feministinnen – ich nenne sie lieber Faschistinnen – , die unter dem Deckmantel des Feminismus und der Flagge der Suffragetten echten Hass und echte Hetze gegen eine andere Frauengruppe verbreiten.
Doch dieser Artikel soll nicht einfach wieder nur ein Aufschrei sein. Sondern er soll aufklären. Er soll Verständnis für diese Ängste zeigen und er soll verständlich aufzeigen, dass all diese Ängste und Bedenken dieser zumeist weiblich gelesenen Menschen unbegründet sind. Doch zunächst ein wenig trockene Geschichte:
Das Transsexuellengesetz
Im Oktober 1978 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Menschenwürde und das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit geböten es, den Geschlechtseintrag im Geburtenbuch zu ändern, wenn es sich um einen irreversiblen Fall von Transsexualität handele und eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt worden sei.
Daraufhin reagierte der Gesetzgeber und beschloss in 1980 das sogenannte Transsexuellengesetz (TSG). Dieses trat dann am 1. Januar 1981 in Kraft. Es sollte für mehr Akzeptanz für transsexuelle Menschen sorgen und ihnen die Möglichkeit geben, ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern lassen zu können.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich seitdem in zahlreichen Entscheidungen mit dem TSG befasst und folgende Vorschriften für verfassungswidrig erklärt:
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1982: Die Altersgrenze von 25 Jahren für die Personenstandsänderung verstößt gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs, 1 GG.
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1993: Die Altersgrenze von 25 Jahren für die Vornamensänderung verstößt ebenfalls gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs, 1 GG.
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1996: Eine Person ist bereits nach Änderung ihres Vornamens entsprechend ihrem neuen Rollenverständnis anzureden und anzuschreiben, d. h. auch wenn (noch) keine geschlechtsangleichende Operation erfolgt ist.
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2005: § 7 Abs. 1 Nr. 3 bestimmte, dass die Vornamensänderung unwirksam wird, wenn der Antragsteller heiratet. Diese Regelung verletzt das grundgesetzlich geschützte Namensrecht eines homosexuell orientierten Transsexuellen sowie sein Recht auf Schutz seiner Intimsphäre, solange ihm eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten, seinem empfundenen Geschlecht entsprechenden Vornamens eröffnet ist. Die Norm ist deshalb bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar. Eine gesetzliche Neuregelung steht bislang aus.
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2007: Verbot der Personenstandsänderung für ausländische Transsexuelle, die sich rechtmäßig und nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, sofern deren Heimatrecht vergleichbare Regelungen nicht kennt. Die Vorschrift war weiter anwendbar, der Gesetzgeber musste aber bis zum 30. Juni 2007 eine verfassungsgemäße Neuregelung schaffen. Mit Art. 3a des Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften ist das mit Wirkung zum 1. November 2007 (verspätet) geschehen. Das TSG ist seitdem auch auf Staatenlose und in Deutschland lebende ausländische Staatsangehörige anwendbar.
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2008: Es ist einem verheirateten Transsexuellen nicht zumutbar, dass seine rechtliche Anerkennung im neuen Geschlecht voraussetzt, dass er sich von seinem Ehegatten scheiden lässt, ohne dass ihm ermöglicht wird, seine ehelich begründete Lebensgemeinschaft in anderer, aber gleich gesicherter Form fortzusetzen. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung ist § 8 Abs. 1 Nr. 2 (Erfordernis der Ehelosigkeit) nicht anwendbar. Mit dem Gesetz zur Änderung des Transsexuellengesetzes wurde § 8 Abs 1 Nr. 2 TSG mit Wirkung zum 23. Juli 2009 aufgehoben.
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2011: § 8 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 verstößt insofern gegen Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 GG, als dass ein Transsexueller eine eingetragene Lebenspartnerschaft zur rechtlichen Absicherung seiner gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nur begründen kann, wenn er sich zuvor einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat sowie dauernd fortpflanzungsunfähig und personenstandsrechtlich bereits im neuen Geschlecht anerkannt ist. Diese Entscheidung ist im Zusammenhang mit der Entscheidung vom 6. Dezember 2005 bedeutsam, die es beanstandet hatte, dass ein Transsexueller eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust seines geänderten Vornamens eingehen konnte. Eine Eheschließung führte regelmäßig zum Verlust des geänderten Vornamens, und die Begründung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft war nur möglich nach einer geschlechtsangleichenden Operation. Diese Verfassungsverstöße hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr beseitigt, indem es die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung auch ohne angleichende Operation zulässt. Damit bedarf es auch keiner unfreiwilligen Unfruchtbarkeit (Zwangssterilisation) mehr.
Seit 2011 ist es also nicht mehr notwendig, sich zwangskastrieren oder zwangssterilisieren zu lassen, wenn man den Vornamen und den Geschlechtseintrag ändern lassen möchte.
Es wurden im Laufe der Zeit viele Änderungen vorgenommen, weil die vorherigen Anforderungen richtigerweise als verfassungswidrig eingestuft worden waren.
Doch warum ist das Transsexuellengesetz nun eigentlich auch nach all diesen Änderungen auch heute noch diskriminierend, menschenverachtend, menschenrechts- und verfassungswidrig und der Grund für Verzweiflung und viele, viele Suizide?
Im Grund ist das ganz einfach: Es ist die Art und Weise, wie trans* Menschen behandelt werden, was sie tun müssen, um ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen und es ist natürlich grundsätzlich die Fremdbestimmung:
Um den Vornamen und den Geschlechtseintrag ändern zu lassen, müssen trans* Menschen ein ordentliches Gerichtsverfahren am Amtsgericht anstoßen. Sie müssen einen Antrag an das Gericht stellen, bekommen dann vom Gericht zwei unabhängige (oder meistens eben doch nicht so unabhängige) Gutachter zugeteilt, mit denen sie dann Termine ausmachen müssen und mit denen sie dann über den Wunsch der Vornamens- und Personenstandsänderung sprechen müssen.
Völlig fremde Menschen entscheiden dann, anhand bestimmter Kriterien und über den Kopf der betroffenen Person hinweg, innerhalb von ein oder zwei Sitzungen, also 50 oder 100 Minuten, ob diese Person nun dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zugehörig ist.
Die Kriterien, anhand derer über meinen Kopf hinweg entschieden wurde, ob ich eine Frau oder ein Mann bin, sahen in meinem Fall (Christin Löhner) wie folgt aus:
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Ich musste ganz viele Fragebögen ausfüllen und Multiple Choice Fragen beantworten. Das waren so Fragen wie:
– Wie oft wurden Sie von Ihren Eltern geschlagen?
– Wie oft masturbieren Sie?
– Wie oft haben Sie Sex?
– Mit welchem Geschlecht machen Sie lieber Sex?
– Träumen Sie davon mit ihrer Schwester Sex zu haben?
– Träumen Sie davon mit jungen, minderjährigen Mädchen Sex zu haben?
– Träumen Sie davon mit Tieren Sex zu haben? -
Ich musste meinen Pulli ausziehen. Denn Frauen und Männer machen das ja in der Regel auf unterschiedliche Art und Weise.
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Ich musste einen Ball fangen. Denn Frauen haben ja grundsätzlich Angst vor einem Ball der auf sie zufliegt.
Solche und ähnliche Fragen und Aufgaben bekommt man gestellt, wenn man das Unglück hatte, im falschen Körper geboren worden zu sein und dies korrigieren lassen möchte. Dieses Gerichtsverfahren am Amtsgericht hat einen Streitwert von 5.000,- €, wovon man dann tatsächlich zwischen 1.500,- und 3.000,- € bezahlen muss.
Das ganze Verfahren vom Antrag an, mit den Gutachten und dem abschließenden Gespräch mit dem Richter, der Widerrufsfrist für die Staatsanwaltschaft, etc. dauert in der Regel rund ein Jahr, bis man dann den rechtskräftigen Beschluss in der Hand hält.
Und das alles nur, um mit dem für sich selbst passenden Geschlecht und Pronomen angesprochen zu werden.
Viele trans* Menschen zerbrechen an diesem Prozedere. Sie zerbrechen an den Fragen und an der Fremdbestimmung. Denn wenn man nicht im Sinne der Gutachter antwortet, wird das Gutachten als negativ ausgestellt und das Gericht verweigert die Vornamens- und Personenstandsänderung. Bezahlen darf man trotzdem.
Dies ist der Grund für echte Verzweiflung und viele, viele Suizide.
Ein Selbstbestimmungsgesetz würde so viele Leben retten! Ein Selbstbestimmungsgesetz würde so viel Verzweiflung beenden! Ein Selbstbestimmungsgesetz wäre nicht mehr der Grund dafür, warum man uns auch heute noch als Frauen oder Kinder vergewaltigende Monster ansieht!
Tja und damit wären wir beim Thema:
Das Selbstbestimmungsgesetz
Was wären die Folgen, wenn das Transsexuellengesetz abgeschafft würde und ein Selbstbestimmungsgesetz beschlossen werden würde?
Nun, für cis-geschlechtliche Personen, also für die Menschen, die mit ihrem Geschlecht in Einklang leben und keine Vornamens- und Personenstandsänderung anstreben?
Keine. Es gäbe keine Folgen diese Menschen. Nicht einmal ansatzweise gäbe es für diese Menschen irgendwelche Folgen daraus.
Ja, aber was ist mit den Schutzräumen der Frauen? Was ist mit Damentoiletten? Was ist mit den Frauenhäusern? Was ist mit Damenumkleiden?
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Kein Mann kann sich einfach zur Frau erklären und in ein Frauenhaus laufen. Das können nicht einmal Frauen. Das sind keine öffentlichen Gebäude mit Publikumsverkehr, wo man einfach rein latscht. Es finden Vorgespräche statt und dann wird einem ein Platz zugewiesen, falls etwas frei ist, was wegen der chronischen Unterfinanzierung oft auch gar nicht der Fall ist.
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Frauentoiletten oder Umkleideräume sind keine „safe spaces“. Vergewaltigungen kommen auch jetzt schon und kamen auch schon immer auch auf Frauentoiletten vor. Die Täter laufen einfach rein. Ein Schild an der Tür hält sie nicht auf.
Diese Täter werden auch zukünftig nicht aufs Amt gehen, einen Antrag stellen, monatelang warten, sich stereotyp-weiblich kleiden, um dann das gleiche zu tun, was sie jetzt schon tun. Wenn deine Angst Männer auf Frauentoiletten ist, sind Männer ohne Achtung vor Frauen dein Problem, nicht ein Selbstbestimmungsgesetz.
Es ist Männern in Deutschland nicht verboten, eine Frauentoilette zu betreten, solange sie diese nur für den Zweck benutzen für den sie gebaut wurde. Das heißt, auch ein Mann kann rein, Kabinentür zu, Geschäft erledigen, Tür auf, Hände waschen und raus. Nicht verboten.
Hmm… ja gut, aber was ist mit den Frauengefängnissen? Ich habe da was gelesen in England war doch…..
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Nein, es werden nicht Horden von Sexualstraftätern im Gefängnis ihr Geschlecht ändern und dann zu den Frauen verlegt. Ja, es gab den Fall Karen White im Vereinigten Königreich (UK), aber dort wurden Vorschriften missachtet, die Person hätte nicht verlegt werden dürfen. Die britische Presse hat sich auf das Thema eingeschossen und verbreitet Desinformationen. So soll sich angeblich einer von 50 Strafgefangene in UK als trans* erklären und verlegt werden. Außerdem würden in Frauengefängnissen in Kalifornien Kondome verteilt, weil es da so viele trans* Frauen gäbe. Das ist erlogen und erstunken, es sind Fakenews.
Die offiziellen Zahlen der britischen Gefängnisbehörde besagen, es sind aktuell 162 trans* Personen in britischen Gefängnissen, bei über 80.000 Gefangenen. Bis auf 30 sitzen alle in der Männerabteilung. Über die Unterbringung wacht eine Kommission und ohne GRC, auf das man locker 6-10 Jahre warten muss, inkl. Gutachten, Alltagstest usw. und OP hat man kaum eine Chance in einer normalen Frauenabteilung zu landen. Es gibt eine besondere Abteilung für trans* Frauen ohne obige Voraussetzungen, da gibt es aber keine cis-geschlechtliche Frauen.
In Kalifornien wurden in allen Gefängnissen Kondome verteilt. Das hat aber nichts mit trans* Frauen zu tun, sondern damit, dass es trotz Verbot immer wieder zu Sex kommt, freiwillig oder nicht. Eben auch in Frauengefängnissen, z.B. mit Wachpersonal. Da die HIV Infektionen und andere STDs in die Höhe schnellten, hat man überall Kondome verteilt. Also auch wieder Desinformationen.
Aber so ein Selbstbestimmungsgesetz würde es jedem 14-jährigen Mädchen erlauben, ohne Einwilligung der Eltern eine Geschlechtsangleichung zu machen!1!eins
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Nein, mit dem Selbstbestimmungsgesetz können 14-jährige nicht ohne Erlaubnis der Eltern eine OP bekommen. Das Sozialgesetzbuch (SBG) ersetzt das Transsexuellengesetz (TSG) und da geht es nur um die Vornamens- und Personenstandsänderung.
Für die medizinischen Maßnahmen, also die Hormone oder die Operationen gibt es keine wirkliche gesetzliche Regelung. Dafür sind S3 Leitlinien und MDS Richtlinien zuständig, die dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen vorliegen.
Ja, aber man hört doch so viel darüber…..
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Weder die USA noch UK haben ein Selbstbestimmungsgesetz. Dort gilt angelsächsisches Recht. Man kann in vielen US-Staaten und in UK seinen Namen beliebig oft ändern und entsprechende Pässe oder Führerscheine bekommen. Entscheidend für Rechte ist aber das legale Geschlecht in der Geburtsurkunde und das lässt sich in UK nur mit einem GRC und in den USA nur in einzelnen Staaten vor Gericht nach OP ändern. Trotzdem wird man dann nicht automatisch in ein Frauengefängnis gebracht, man kann es dann aber beantragen.
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Selbstbestimmungsgesetze gibt es in Argentinien (seit 10 Jahren!), Uruguay, Kolumbien, Malta, Portugal, Luxemburg, Belgien, Schweiz, Dänemark, Norwegen, Irland und Island. In keinem dieser Länder kam es bisher zu Vorfällen der oben genannten Art. Alle Beispiele, die von transfeindlichen Accounts genannt werden, sind aus UK oder USA, die meisten davon sind gelogen und beide Länder haben keine Selbstbestimmungsgesetze.
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Österreich hat sogar die Vornamens- und Personenstandsänderung per einfachem Formular und Kosten von 15,- Euro am Standesamt. Einzig ein kurzer Bericht eine*s Therapeut*in muss vorgelegt werden. Eine Sache von 30 Minuten, bis man die neue Geburtsurkunde in der Hand hält! Auch dort kam es noch nie zu Vorfällen der oben genannten Art. Niemals.
Fakt ist:
Kein Mensch dieser Welt wird seinen Vornamen und seinen Personenstand ändern lassen – völlig egal ob nach Transsexuellen- oder nach Selbstbestimmungsgesetz – mit allen Folgen wie soziale Ausgrenzung, Verlust von Familie, Freunden, Kindern, Verlust von Job und Anerkennung in der Gesellschaft – nur um in eine Damentoilette zu gehen. Denn dazu reicht zur Not ein Hausmeistermantel.
Andererseits würde die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und der Beschluss des Selbstbestimmungsgesetzes viele, sehr viele Leben retten!
Gez. Christin Löhner
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