Heute ist der internationale Transgender Sichtbarkeits Tag oder auch Transgender Day of Visibility, abgekürzt #TDoV 2022. An diesem Tag sollen alle Transgender Personen besonders sichtbar und laut sein.
Ein Beitrag von Christin Löhner
Aber warum? Warum muss man sichtbar sein? Warum müssen Transgender Menschen sichtbar und laut sein?
Nun, ja, das fragen wir uns auch. Denn eigentlich sollte das heutzutage nicht mehr notwendig sein. Doch viele, viele aktuelle Beispiele zeigen, dass es durchaus noch notwendig ist. Diese Beispiele heißen Alice Schwarzer, Chantal Louis, Eva Engelken, Monika Barz, J. K. Rowling, Beatrix von Storch, aber auch Institutionen und Organisationen wie Terre des Femmes e.V., Fairplay für Frauen e.V. und weitere mehr.
In den letzten fünf bis zehn Jahren hat die Sichtbarkeit von geschlechtsvarianten (transsexuellen/transidenten) und nonbinären Menschen immens zugenommen. Selbstbewusst und laut fordern sie ihr Recht auf Selbstbestimmung und gesellschaftliche Akzeptanz ein.
Im Gegenzug werden aber auch immer mehr vermeintliche und selbsternannte Feminist*innen sichtbarer und lauter und stellen dieses Recht auf Selbstbestimmung und gesellschaftliche Akzeptanz in Frage. Sie haben Angst um ihre eigene Unversehrtheit und um ihre Schutzräume. Sie sprechen geschlechtsvarianten Frauen ihre Weiblichkeit, ihr Frausein ab und bringen sie in unmittelbaren Zusammenhang mit Pädophilie und Frauen mordenden Vergewaltigern.
Im Jahre 2011 urteilte das Bundesverfassungsgericht: “Es ist wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden kann, sondern sie wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhängt.”
Mit diesem Urteil wurde ein uraltes, menschenverachtendes Relikt aus dem Transsexuellengesetz gestrichen: Die Notwendigkeit der geschlechtsangleichenden Operation für die Vornamens- und Personenstandsänderung. Ebenfalls mit diesem Urteil wurde entschieden, dass es rechtlich natürlich auch Frauen mit Penis geben kann und darf, so wie es auch Männer mit Vulva geben kann und darf.
So lange haben wir gekämpft um gesellschaftliche und auch rechtliche Akzeptanz zu erfahren und müssen uns nun der breiten Front von Menschen gegenübersehen, die uns – unter dem Deckmantel des Feminismus – diese Akzeptanz und dieses Recht wieder wegnehmen wollen.
Ja, natürlich müssen wir uns einer Urangst der Frauen stellen und diese ernst nehmen! Gerade und vor allem lesbische und feministische Frauen erfahren häufig körperliche und sexuelle Gewalt und Ausgrenzung und sie haben sich gewisse Schutzräume hart erkämpft. Dies müssen wir geschlechtsvariante Frauen respektieren.
Es ist jedoch absolut verletzend und völlig falsch, deshalb allen geschlechtsvarianten Frauen ihr Frau-Sein und ihre Weiblichkeit abzusprechen, sie als perverse Männer abzustempeln und pauschal mit Gewalttätern, Pädophilen und Vergewaltigern in einen Topf zu werfen! Die aktuelle Debatte um Selbstbestimmung, Frau-Sein, Schutzräume und Feminismus stigmatisiert geschlechtsvariante Menschen, insbesondere Frauen, erneut als vermutliche sexuelle Gewalt- und Straftäter und die eigentlichen, cisgeschlechtlichen Männer, die die Statistiken sexueller Gewalt anführen, verschwinden dabei aus dem Blick.
Das ist nicht nur falsch, sondern vor allem auch gefährlich! Denn das erinnert nur zu sehr an die Nationalsozialistische Diktatur und Herrschaft unter der homosexuelle, sexualitäts- und geschlechtsnonkonforme Menschen stigmatisiert und ermordet wurden!
Die Aussage von vermeintlich feministischen Menschen, dass eine Frau nur eine Frau ist, wenn sie mit einer Vulva geboren wurde (J. K. Rowlings), ist nicht nur stigmatisierend und diskriminierend, sondern schlicht und einfach auch falsch.
Die Frauen der Frauenschutzorganisation Terre Des Femmes e.V. sprechen geschlechtsvarianten Frauen ihr Frausein ab, indem auch sie sagen: “ja wir stehen für die Rechte aller Frauen – solange sie mit einer Vulva geboren wurden”. Im gleichen Atemzug stellen sie sie auf eine Stufe mit Vergewaltigern, indem sie diese geschlechtsvarianten Menschen nicht in ihren Schutzräumen wie Frauenhäusern oder Damentoiletten haben wollen.
Nach der Logik solcher Menschen, wäre ein Michael Hughes der aussieht, wie ein kanadischer Baumfäller, oder ein Balian Buschbaum eine Frau und wäre in ihren Schutzräumen wie die Damentoilette oder Frauenhäusern herzlich willkommen und mit Kußhand aufgenommen.
Mit genau solch einem Gebaren war 2016 North Carolina mit einem sogenannten Bathroom Bill Gesetz in Verruf geraten. So sehr in Verruf, dass sich die US-Regierung unter Barack Obama sogar gezwungen sah, gegen North Carolina zu klagen. Das am 23. März verabschiedete Gesetz in North Carolina zwang Transgender-Menschen dazu, in öffentlichen Gebäuden nur jene Toiletten zu benutzen, die mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmten.
Aufgrund dieses Gesetzes rief der oben erwähnte Michael Hughes die #WeJustNeedToPee Bewegung ins Leben, indem er sich in Damentoiletten mit diesem Hashtag fotografieren ließ (Link, Link).
Im Gegensatz zu diesen selbsternannten Feministinnen, die uns unser Frausein, das Recht auf Selbstbestimmung und auf körperliche Unversehrtheit absprechen wollen, werden und wurden wir geschlechtsvariante Frauen sogar von höchst richterlicher Stelle und anhand von zwei unabhängigen Gutachten rechtlich hoch offiziell dazu befugt, uns Frauen nennen und uns in eben diesen Schutzräumen der Frauen aufhalten zu dürfen.
Nur weil einige selbsternannte Schutzengel der Weiblichkeit und des Frauseins uns dieses Recht absprechen wollen, macht es das deshalb nicht weniger zu unserem Recht!
Dieser Weg der Transition den wir geschlechtsvariante Menschen vor oder auch hinter uns haben ist so bedeutsam, so lebensverändernd, so körperlich einschneidend, so voller Hürden, Steine, Stigmatisierung und nicht wieder rückgängig zu machen, dass ein cisgeschlechtlicher Mann der eine sexuelle Straftat plant, diesen Weg sicherlich nicht wählen würde, um sein Ziel zu erreichen.
Eine geschlechtsvariante Frau – auch wenn sie einen Penis hat – ist kein cisgeschlechtlicher Mann und hat sicherlich nicht vor, anderen Frauen irgendetwas weg zu nehmen oder gar anzutun! Genauso wenig wie ein geschlechtsvarianter Mann – auch wenn er eine Vagina hat – einem anderen Mann etwas wegnehmen oder antun würde!
Wir sind alles Menschen! Und wir sollten zusammenarbeiten und miteinander um unsere Rechte kämpfen, statt uns sogar innerhalb des gleichen Geschlechts aufzureiben und uns gegenseitig auf unsere Rechte oder Selbstbestimmung neidisch zu sein!
Ja! Geschlechtsvariante (transsexuelle) Frauen – egal ob mit oder ohne Operationen – können genauso lesbische oder nicht lesbische, feminine oder nicht feminine Feministinnen sein, wie es cisgeschlechtliche Frauen sein können! Und wir können genauso für die Rechte der Frauen kämpfen, wie wir es für unsere Selbstbestimmung tun!
Auch heute noch wird weltweit täglich ein transsexueller Mensch aufgrund seiner Transsexualität brutal gefoltert und ermordet! Die Zahl der jährlich ermordeten Menschen ist nach wie vor steigend! Jedes Jahr begehen wir dazu den „International Transgender Day Of Remembrance“, an dem wir all den ermordeten transsexuellen Menschen gedenken. (Quelle: Trans Murder Monitoring Project)
Menschen, die ermordet, gefoltert, verprügelt, ausgegrenzt oder diskriminiert und verachtet werden, vor allem weil sie von großen Namen wie J.K. Rowlings (Harry Potter), Prof. Monika Barz (u.a. Beisitzerin im Vorstand des Landesfrauenrat Baden-Württemberg), der „Women’s Rights Campaign“, „Terre des Femmes e.V.“ oder auch einer Eva Engelken (Bündnis90/DIE GRÜNEN) diskriminiert, diskreditiert oder als „in weibliche Schutzräume einzudringen versuchende männliche Pädophile und Vergewaltiger in Frauenklamotten“ angesehen werden.
Solch ein Verhalten ist menschenfeindlich und verachtend gegenüber transsexuellen Menschen.
“Transphobie” ist hierfür das falsche Wort. Das ist keine Phobie! Niemand kann etwas für eine Phobie oder Angst! Aber jeder Mensch kann sich dafür oder dagegen entscheiden, ein Arschloch zu sein!
Hierbei geht es nicht um eine Angst, hierbei geht es ganz klar um Volksverhetzung.
Um diesen Missständen und diesem Hass Einhalt zu gebieten, haben wir für diesen Tag eine kleine Social Media Kampagne vorbereitet. Heute werden im Laufe des Tages mehrere Bilder gepostet werden, die geschlechtsvariante Menschen zeigen und sichtbar machen.
Sie sollen zeigen, dass geschlechtsvariante Menschen einfach nur normale Menschen sind, die genauso ein recht auf ein unversehrtes, glückliches Leben haben, wie jeder andere Mensch auch.
.