Containern strafbar, Lebensmittelverschwendung nicht?

Eine Stellungnahme des mut Forums Landwirtschaft und Ernährung zum BVerfG Urteil über das Containern:

Es ist schon eine „verkehrte“ Welt, wenn die Rettung von Lebensmitteln bestraft wird und das Wegwerfen nicht.

Wer Lebensmittel aus dem Müll eines Supermarktes fischt, begeht Diebstahl. Die Urteile aus Vorinstanzen hat jetzt das Bundesverfassungsgericht bestätigt, mahnte aber gleichzeitig eine politische Entscheidung an.

Menschen, die Lebensmittel vor dem Wegwerfen retten wollen, müssen weiter damit rechnen, als Diebe verurteilt zu werden. Zwei Studentinnen aus Oberbayern – mut hatte sie von Beginn der Verfahren an unterstützt (siehe auch https://www.partei-mut.de/2019/02/09/rechtsmittel-im-strafprozess-wegen-containern-eingelegt/) – hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt, sind aber in Karlsruhe erneut gescheitert.

Lebensmittel sind Sachen im juristischen Sinn und wenn wir uns solch eine Sache aneignen, ohne Eigentümer*in zu sein, begehen wir Diebstahl. Wenn wir dann noch Firmengelände betreten, begehen wir aus juristischer Sicht durch Hausfriedensbruch eventuell sogar einen besonders schweren Diebstahl.

Ein anerkanntes Grundrecht auf Lebensmittel fehlt. Die EU-Basis-Verordnung Lebensmittelrecht formuliert nur: Lebensmittel dienen zum einen dem Zwecke der Ernährung und werden vom Menschen getrunken, gekaut oder gegessen. Wir meinen: Es fehlt der Zusatz, dass Lebensmittel zum Leben notwendig sind, Lebensmittel sind neben Luft, Boden und Wasser die Grundlage unseres Lebens!

Aber diese wesentliche Wertschätzung fehlt oft.

Rein wirtschaftlich gedacht ist es klar: Aus Sicht des Einzelhandels würde der Verkauf von Gemüse und Obst, das nicht mehr taufrisch aussieht, das Ansehen des Einzelhandels negativ beeinflussen. Der Einzelhandel beruft sich auf die Tatsache, dass Konsument*innen zu jeder Zeit frische und ansehnliche Ware kaufen möchten und die schrumpelige Gurke im Regal liegen lassen. Also entsorgt er diese vorher. Außerdem würde das Erlauben von „Containern“ oder eine Weitergabe an Organisationen einen möglichen Umsatz verhindern, denn die Empfänger*innen dieser Lebensmittel würden dann weniger Lebensmittel einkaufen.

Dieses Konsumverhalten ist vom Handel über viele Jahre hinweg gefördert worden. So werden Mengen geordert, bei denen ein Wegwerfanteil bereits mit einkalkuliert ist.

Auch der Anbau von Lebensmitteln erfolgt oft in einem gewissen Übermaß, da ein bestimmter Anteil des Gemüses oder der Früchte aus Sicht des Einzelhandels nicht verkaufskonform ist, weil zu krumm, zu blass oder mit Würmchen.

Was müsste geschehen? Die Ursachen der Lebensmittelverschwendung könnte man an den Wurzeln angehen. Weniger anbauen und dafür alles Obst und Gemüse verwerten, regional anbauen, was bei uns auch wächst und lange Transportwege vermeiden, bereit sein, für Lebensmittel einen fairen und damit höheren Preis zu zahlen – das sind nur einige Maßnahmen, die die Lebensmittelverschwendung senken würden.

Der juristische Erfolg von Franzi und Caro ist leider ausgeblieben. Vielleicht waren die Erwartungen einfach zu hoch, denn es ist eine generelle Verhaltensänderung und ein Umdenken notwendig. Diese Verhaltensänderung betrifft alle Marktteilnehmer*innen: Produzent*innen, Transportunternehmen, Großhandel, Einzelhandel, Verbraucher*innen und Politiker*innen. Das BVerfG hätte einen Anfang machen können, um dem Eigentum an Lebensmitteln auch einen bereits bekannten Wert zu geben: Eigentum verpflichtet. Es verpflichtet zum wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln und dazu gehört keinesfalls die Entsorgung im Abfallcontainer!

Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen: Es ist ein Skandal, dass Tag für Tag Tonnen von Lebensmitteln weggeworfen und vernichtet werden. Wie nun höchstrichterlich entschieden wurde, ist die herrschende Gesetzeslage fatal: Menschen, die aktiv werden, die sich gegen diese Verschwendung positionieren, werden kriminalisiert. Einige Länder in der EU gehen bereits mit Gesetzen dagegen vor, dass Supermärkte verwertbare Lebensmittel wegwerfen. Das sollte uns als Vorbild dienen, dies in Deutschland zu diskutieren und schnellstens politisch zu handeln.

Auch wenn der Gang vor das BVerfG nicht erfolgreich war, so hat das Thema zumindest wieder mehr Raum in der öffentlichen Diskussion gefunden. Deshalb danke an Franzi und Caro für ihre Entschlossenheit und ihren Mut!


Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts findet ihr hier:

BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 05. August 2020
– 2 BvR 1985/19 -, Rn. 1-50,
http://www.bverfg.de/e/rk20200805_2bvr198519.html


 

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